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- Die Sporttaube" - September 2006
3.
As-Vogel auf Verbandsebene 2006
Klaus Stieneker: "Don Carlos"
triumphiert als "Galan mit Esprit"
Horst
Heuter über einen As-Vogel mit Charaktert berichtet aus
dem Münsterland
Taubenzüchter
sind meist Männer. Echte Kerle mit Durchsetzungsvermögen.
Stolz - sehr stolz! Immer darauf bedacht, überlegen zu
sein. Immer? Nein, nicht immer! Frauen wissen, wie sie die
starken Männer um den Finger wickeln können. Und
sind wir Männer doch mal ehrlich: "Das sind doch
die schönsten Momente für uns. "Gleiches hat
wohl auch der Star dieser Geschichte empfunden. Der "Carlos",
genauer - "Don Carlos". Seit jenem Tag im Mai 2006
trägt er diesen Namen.
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Wenngleich
schon für manche Überraschung in der Vergangenheit
gut gewesen, sorgte Klaus Stieneker mit seinem "Don
Carlos" in der Saison 2006 für ein weiteres
sportliches Highlight.
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Die
Namensgebung ist dem berühmten dramatischen Gedicht von
Friedrich Schiller entnommen. Don Carlos, die Hauptfigur,
war unsterblich in seine Stiefmutter verliebt. Für sie
tat er alles. Für sie vernachlässigte er auch sein
wichtiges Amt.
Der 01654-04-1612 vernachlässigte ebenfalls seine eigentliche
Aufgabe. Bei dem betreffenden Flug traf "Carlos"
gemeinsam mit einem Weibchen ein. Natürlich sollte er
so schnell als möglich auf die Antenne. Doch eine solche
Vorgehensweise ist einem höflichen Galan fremd Er ließ
der Schönheit den Vortritt - so wie es sich gehört.
Das Weibchen machte den 1. Konkurs und unser "Don Carlos"
den 2. Konkurs. Ob er dabei wohl gelächelt hat? Im übrigen
zeigte er diese Höflichkeit nicht zum ersten Mal. Auch
bei so manch folgendem Flug gewährte er der einen oder
anderen Diva den Vortritt.
Klaus Stieneker, der Züchter des "Carlos" ist
ein offenherziger und geradliniger Mann. So ist auch diese
Geschichte. Bei den Eltern des "Carlos" wollen wir
beginnen. Also am Anfang. Sein Vater ist ein Halbruder "Unicum"
B 98/6590779. Das beste Blut von Gummar Leysen, Louis van
Loon und Dirk van Dyck fließt in seinen Adern. Louis
van Bergen wusste dies zu nutzen.
Die Mutter "01654-99-552" wurde von Klaus Stieneker
selbst gezogen und kommt aus "830" x 02723-97-373,
Tochter "Bimbo". Werner Grundel lässt grüßen.
Der "830" ist ein Original-Vogel von Gummar Leysen.
Bruder des "Late Leysen" und der "Asduif 139".
Wer war das eigentlich noch, der geschrieben hat, dass Abstammungen
nur Papier sind und nicht fliegen können?
Der "Carlos" fliegt in seinem Geburtsjahr den 4.,
21., 31. und 51. Konkurs. Selbst auf den erfolgsverwöhnten
Stieneker-Schlägen war dies eine beachtenswerte Leistung
Jährig avancierte er zum Liebling. Mit 11 Preisen (u.
a. 1., 2., 3., 4., 8., 23., 26. und 46. Konkurs) lehrte er
seinen Konkurrenten das Fürchten.
2006 wurden die Erwartungen und das in ihn gesetzte Vertrauen
viel mehr als nur erfüllt. Er flog "Full House",
14/14 Preise mit 1.296,67 As-Punkten. Für die As-Vogel-Wertung
des Verbandes erreichte er bei den zehn benötigten Preisen
992,43 Punkte und wurde damit 3. As-Vogel BRD (Trend). Im
Monat Mai wurde er zudem 3. Taube des Monats BRD mit 299,51
As-Punkten. Nur noch zur Vollständigkeit die 14 RV-Preise
des "Carlos": 1., 1., 2., 2., 2., 2., 7., 7., 15.,
17., 19., 34., 73. und 216 Konkurs. Mit diesen Leistungen
dürfte "Carlos" seinen Platz in der "Hall
of Fame" berühmter Brieftauben sicher haben.
Lieber Himmel, was war diese Saison emotionsgeladen! Vogelgrippe,
teilweise Richtungswechsel, Flugplanänderungen, schlechtes
Wetter, heißes Wetter, Flugverkürzungen, Flugabsagen
und Verluste geliebter und wertvoller Brieftauben. Doch an
einigen besonderen Tauben scheint diese leidvolle Saison unbeeindruckt
abgeprallt zu sein.
Viele Male habe ich mit Klaus Stieneker und seiner Familie
zwischen den Flügen telefoniert. Dadurch durfte ich den
Triumphmarsch des "Carlos" hautnah miterleben. Vor
allem diese Spannung drang geradewegs durchs Telefon. Die
Fußball-WM wurde zur Nebensache. Als Vollblut-Brieftaubenzüchter
war und bin ich ein bedingungsloser Fan dieses Prachtkerls
"Carlos". Welch ein Wunder, bei solch überragenden
Leistungen.
Die Erinnerungen sind noch frisch und werden mich wohl so
bald nicht verlassen. Es war der 28. Mai und "Carlos"
stand in Charleville. Einen 1. Konkurs und zwei 2. Konkurse
hatte er bereits auf seinem Konto. Wie immer vor dem Auflass
telefonierte ich auch an diesem Morgen mit Klaus Stieneker.
Klar, denn die Tauben der RV Greven fliegen meist über
meinen Kopf nach Hause. Als Flugleiter sprachen wir natürlich
über das Wetter. Es sah besser aus als am Vortag. Denn
da hatte man in Aachen noch das CHIO-Reitturnier wegen Gewitter
und Sturm abbrechen müssen.
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Genießt
sichtlich die Ruhe nach dem Stress der Wettflüge:
"Don Carlos" mit seinem Witwerweibchen auf
dem Nest.
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Wir
telefonierten bis zur Ankunft der Tauben noch mehrmals. Die
Sorge eines Flugleiters versteht nur der, der diesen Job schon
einmal gemacht hat. Nun gut, die Tauben hatten einen guten
Flug und "Carlos" errang den 2. Konkurs. Das machte
299,51 As-Punkte für die Wertung "Taube des Monats
Mai" und der 3. Platz in Deutschland. Die Freude war
verständlicherweise auf dem Höhepunkt.
Nach einem 1. Konkurs, drei 2. Konkursen und einem 34. Konkurs
folgte eine Woche später noch ein 1. Konkurs! Sieben
Flüge, sechs Spitzenpreise. Nun musste natürlich
über Größeres nachgedacht werden. Spätestens
jetzt begann für Familie Stieneker die bisher aufregendste
Zeit im Taubensport. Selbstverständlich hätte man
"Carlos" einen schwächeren Flug verziehen,
doch er zeigte keine Schwäche. Er blieb bärenstark
im Rennen.
Am 8. Juli knackte Carlos die Traummarke von 990 As-Punkten
auf den zehn zu wertenden Flügen. Phänomenal, überragend,
großartig und Wahnsinn. Es gibt kaum Superlative, die
nicht passend wären. In allen Ecken Taubendeutschlands
redet man voller Hochachtung von einer Taube mit dem Namen
"Carlos". Er hatte Geschichte geschrieben. Diese
Leistung verdient einfach nur Respekt. Und eine Woche später
flog "Carlos" wiederum einen 2. Konkurs.
Am späten Nachmittag telefonierte ich zunächst mit
Mareike Stieneker, sympathische Ehefrau von Klaus. Sie steht
mit Leib und Seele hinter dem Hobby ihres Mannes und der beiden
Mädels Franziska und Lisa. Klaus war zum Uhren öffnen.
Von Mareike erfuhr ich, dass "Carlos" erneut ganz
früh war. Die Freude in ihrer Stimme zeigte mir einmal
mehr, dass der Brieftaubensport ein Hobby mit sehr viel Herz
ist.
Am Abend hatte ich dann Gelegenheit, mit Klaus Stieneker selber
zu sprechen. Wie immer war unser Gespräch sehr locker
und doch lag eine gewisse Achtung in unseren Stimmen. Hochachtung
sogar! Hochachtung vor einer solch fantastischen Leistung
dieses Teufelskerls.
"Sag mal", fragte ich ihn, "welche As-Punkte
fallen denn jetzt weg?" Ruhig, sehr ruhig sagte mein
Gegenüber: "Es ist schon makaber, 98 As-Punkte fallen
weg und 99 As-Punkte kommen hinzu" Für einen Moment
war es still. Die für mich wichtigste Frage stellte ich
anschließend: "Sieht "Carlos" eigentlich
anders aus als andere Tauben?" Ein knappes "Nö"
beruhigte mich ungemein.
"Carlos" ist ein blauer Vogel von normaler Größe.
Er hat ein seidenweiches Gefieder mit einem weißen Fähnchen
hinter seinen roten Glasaugen. Das erste schwarze Band am
Flügel geht scheinbar bis ins Unendliche. Die Spitzen
seiner Endschwingen sind rund, sehr rund und reichen bis in
das Schwarze der Schwanzspitzen hinein. Die Größe
seiner Flügel ist passend zum Körper. Seinen Kopf
möchte ich gleichwohl als Charakterkopf bezeichnen. Dieser
Blick ist beeindruckend! Die Pupillen sind nach vorne gerichtet.
Auf
dem Schlag ist "Carlos" eine sehr aufmerksame Taube,
nichts entgeht ihm. Er verteidigt sein Revier und weist seine
Rivalen schnell in die Schranken, ohne ein Raufbold zu sein.
Eine derartige Beschreibung trifft sicher auf sehr viele Tauben
zu und doch ist genau dieser Vogel ein Überflieger.
Eine bemerkenswerte Anekdote möchte ich nicht verschweigen:
"Carlos" hatte seine "Punkt-Schäfchen"
schon lange im Trockenen. Nun stand aber noch der Endflug
Orleans von 634 km an. "Soll man eine bislang derartig
erfolgreiche Taube zu diesem Flug noch einkorben?" Das
war die Frage aller Fragen während der letzen Tage vor
dem Einsetzen. Der Familienrat trat zusammen. Sogar der "Chef"
wurde konsultiert. Immer wenn Klaus Stieneker über und
von Günter Prange spricht, nennt er ihn mit großer
Achtung "meinen Chef". Günter Prange riet,
"Carlos" nicht zu setzen. Stets hatte Klaus Stieneker
den Rat seines Chefs befolgt, in dieser wichtigen Angelegenheit
jedoch nicht. Nach langem hin und her beschloß der Familienrat,
"Carlos" zu setzen. Welch mutige Entscheidung!
Selbstverständlich war man in diesem Jahr gewöhnt,
dass "Carlos" als erste oder zweite Taube eintraf.
Ihn konnte man schon von weitem erkennen. Dem Top-Vogel war
nämlich zu Beginn der Reise eine Schwanzfeder um 4 cm
abgebrochen. Daher konnte man das Loch im Schwanz schon von
weitem erkennen. Die erste Taube flog um 15.01 Uhr den Schlag
an. Leider ohne Loch im Schwanz! Auch bei der zweiten und
dritten Taube war kein Loch erkennbar. Die Minuten vergingen
und die Fußstapfen im Rasen nahmen dramatische Ausmaße
an. Diese sehnsüchtigen Blicke in den Himmel hätte
man im Bild festhalten müssen "Mann, Mann, Mann,
hätten wir doch auf Günter gehört!"
Gedanke reihte sich an Gedanke. Inzwischen waren zwanzig Minuten
vergangen und sieben Tauben daheim. Nur "Carlos"
nicht. Ungewöhnlich, sehr ungewöhnlich. Dann, fast
gleichzeitig, schnellten die Finger nach oben. Das Loch -
"Carlos". Ich kenne Klaus Stieneker und wette, er
hatte feuchte Augen. Sicher war er damit nicht alleine.
Ein Nervenspiel der Extraklasse hatte ein glückliches
Ende gefunden. "Carlos" errang noch den 73. Konkurs
mit 70 As-Punkten. Es erschien fast so, als wollte er sich
bei seinen Schlaggenossen/innen für diese Saison bedanken
und ließ ihnen beim Endflug den Vortritt. Er ist halt
ein "Galan mit Esprit".
Nennen Sie es Glück, nennen Sie es Bestimmung, nennen
Sie es, wie Sie wollen. Zu einer außergewöhnlichen
Taube gehört auch immer ein außergewöhnlicher
Züchter! Zitat Klaus Stieneker: "Eine solche Taube
züchtet man nur einmal im Leben."
Herzlichen
Glückwunsch zu einer überragenden Saison - Mareike,
Franziska, Lisa und Klaus!
von
Horst Heuter aus
"TaubenMarkt
- Die Sporttaube" - September 2006
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