> Schlagberichte > "Die Brieftaube" - 21-2005

Taubenliebe kann man nicht befehlen!

Franziska Stieneker und Lisa Rosenbusch,
taubenzüchtende Teenager und Cousinen
aus der RV Lengerich

2003: Bester Vogel in Regionalverband. Olympia-Kandidat. Spitzenpreise bis 2003 u.a. 1., 1., 2., 2., 3., 4., 4., 4., 4., 5., 8., 9., 11., 13., 14., 16., 17., 18., 18., 20. Preise 20x Preis bis zum 20. Konkurs.

Tierliebe erst recht nicht. Sie muss wachsen. Solche Tugenden stecken im Menschen drin und werden vornehmlich durch die Umstände geweckt. Kinder, besonders Mädchen, interessieren sich ab dem Laufalter für Tiere. Später, wenn sie sich artikulieren können, machen sie ihren Eltern mitunter nachdrücklich klar, an welches Tier sie ihre ganze Liebe verschwenden wollen. Jeder Taubenzüchter, der sein Futter in einer Zoohandlung kauft und dabei seine Kinder mitnimmt, weiß ein Lied davon zu singen...

Lisa Rosenbusch

Brieftaubensport kann ein Familienhobby sein. Wenn der Züchter es will. Wenn er bei der Ausübung seines Hobbys die Belange seiner Familie berücksichtigt. Und wenn er über Unvorhergesehenes nur lächeln und über Missgeschicke hinweg sehen kann. Im konkreten Fall bedeutet es, dass heranwachsende Kleinkinder in einem unbemerkten Augenblick kurz vor dem Einsetzen in den Witwerschlag tappern und die Vögel mit Erdnüssen füttern; so haben sie es ja vom Vater abgeschaut. Oder wenn sie im Zuchtschlag die unberingten Jungen aus dem Nest nehmen und anschließend von Panik befallen, weil die hudernde Taube sich dagegen wehrt, die Kleinen fallen lassen und weglaufen. Oder wenn sie den Nistteller mit den 12 Tagen alten Jungtauben im Bollerwagen freudestrahlend hinter sich her durch die Siedlung ziehen. Der Sportfreund hat dann zwei Möglichkeiten...

Tierliebe wird in der Familie Stieneker groß geschrieben.

Die Reisetauben, Männchen wie Weibchen, reagieren auf Zuruf und kommen in den Sputnik, wenn die Mädchen sie ansprechen. Erst recht, wenn Erdnüsse ins Spiel kommen.

Das äußert sich bei den Tauben zum Beispiel in dem vertrauensvollen Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Bei vielen Sportfreunden gehen die Tauben beim Betreten des Schlages auf Distanz, hier kommen die Weibchen auf Zuruf auf den Fensterrahmen geflogen; oder die Vögel machen lauthals ihren Besitzanspruch im Sputnik geltend, indem sie sich in den Fingern verbeißen. Bei den Jungtauben ist es ähnlich, der Nachwuchs hat schnell die Scheu vor dem Nachwuchs verloren. So etwas kann man nicht befehlen, an so einem Verhalten kann man nur arbeiten. Dieses Vertrauensverhältnis fördert auch den Heimkehrwillen der Taube, es ist nicht nur die Nahrung oder der Partner, was die Reisetaube so zur raschen Rückkehr bewegt. Nein, es ist auch die ganze Atmosphäre um den Schlag herum, das positive Umfeld.
Franziska, 13 Jahre alt, ist hautnah mit den Tauben groß geworden, sie kroch schon im Krabbelalter durch die Schläge. Lisa (14) hat erst im Alter von 12 Jahren die Scheu vor ihnen verloren. Es hat auch mit dem Wohnort zu tun, denn sie wohnt einige Kilometer entfernt in Lengerich und war von daher nicht täglich bei den Tauben, heute kommt sie mit Bus oder Fahrrad zum Taubenschlag. Seit dem Herbst 2002 bilden sie die Schlaggemeinschaft.
Beide Mädchen sind auch vom Temperament her unterschiedlich, Lisa kann nach anfänglicher Zurückhaltung ihre ganze Begeisterung zeigen, ihre Cousine ist da etwas distanzierter. Natürlich beanspruchen Schule und Hausaufgaben einen wesentlichen Teil der Zeit, im Winterhalbjahr ist der Taubenkontakt nicht so intensiv wie im Sommer. Die Eltern legen großen Wert darauf, dass die schulischen Leistungen unter dem Hobby nicht leiden. Sie besuchen das Hannah-Arendt-Gymnasium in Lengerich, Franziska geht in die 7., Lisa in die 8. Klasse. Für ein Referat kürzlich über Brieftauben holte Lisa sich eine glatte 2 ab. Die guten Flugleistungen gehen im Rahmen der Flugberichterstattung auch durch die Tagespresse und eine TV-Reportage des WDR 3 aus dem Studio Münster zum Thema "Brieftauben" im Westfälischen Industriemuseum widmete den Mädchen mehrere Minuten. Das blieb natürlich nicht verborgen und brachte viele anerkennende Worte.

Aktive Jugendliche, die mit zupacken!

Franziska Stieneker (rechts) und Lisa Rosenbusch mit der Berner Sennenhündin Emma vor dem Jungtaubenschlag. Die Hündin ist stark auf Franziska fixiert, so stark, dass sie zur fahrplanmäßigen Minute zur nahegelegenen Bushaltestelle läuft, wenn sie aus der Schule kommt.

Die Mädels sind bei jedem Einsatzgeschäft voll engagiert und korben ihre Tauben selber ein. Der Einsatzdienst in der RV geht nach einem festen Schema vor und auch hier können sich Einsatzleiter und Sportfreunde voll auf die beiden verlassen, mitunter springen sie auch als Aushilfe ein und bessern so ihr Taschengeld auf. Die RV Lengerich hat mit ihren 11 Jugendlichen eine sehr starke Nachwuchsgruppe, die sich in gleicher Weise engagieren.
Aktiv zupacken, aktiv mitmachen, das zeichnet einen engagierten Taubenzüchter schon in jungen Jahren aus. Da helfen Eltern natürlich gern und unterstützen das Hobby entsprechend. Zumal wenn Früchte in Form von guten Resultaten zu erkennen sind.
Die Kinder können natürlich medizinische oder versorgungstechnische Dinge nicht bis in Detail kennen, noch nicht, aber das können die meisten Erwachsenen heute noch nicht. Doch sie wissen, dass etwa Trichomonaden regelmäßig bekämpft werden müssen und dass man es mit der Fütterung nicht übertreiben darf. Sie handeln in vielen Dingen selbstverständlich nach Anweisung und dank ihrer raschen Auffassungsgabe begreifen sie die Zusammenhänge sehr rasch. Ich kenne 50jährige Söhne, denen der 75jährige Vater heute noch Vorgaben erteilen muss.

Wie kam es zu dieser Schlaggemeinschaft?

Franziskas Vater Klaus war um 1990 herum von der internationalen Weitstrecke fasziniert und wollte langfristig ebenfalls an diesen Flügen teilnehmen. Die nächstliegende RV, die zum Südwesten reiste, war die RV Greven. Er war sich dabei der Situation und der hintersten Lage bewusst, gegenüber dem Ortsmittelpunkt Greven mussten seine Tauben 15 bis 20 Kilometer alleine fliegen. Je nach Lage des Auflassortes. Dazu kamen noch sein persönlicher Mehraufwand an Zeit und Kosten, um sich und seine Tauben zu organisieren. Er bat trotzdem um die Aufnahme. Das mit der Weitstrecke hatte sich nach einigem Ausprobieren erledigt und die RV-Ergebnisse stempelten ihn mehr zu einem Preislieferanten als zu einem Preisräuber.
Das änderte sich abrupt, als Klaus Stieneker 1994 Tauben erst von Werner Grundel, dann auf dieser Basis direkt von Dirk van Dijk und Louis van Bergen holte und damit seinen Stamm aufbaute. Die Ergebnisse zeigten sich sofort auf den Jungflügen, später bei den Jährigen und Alten. Und jetzt bekam er plötzlich zu hören: "Ja, bei der Lage...!" Er, der vorher bei gleicher Lage die Preise abgeliefert hat.
Um zu beweisen, dass es nicht die Lage, sondern die bessere Taube ist, beantragte er die Aufnahme seiner Franziska in die RV Lengerich. Hier hat der Schlag eine der kürzesten Vermessungen und trotzdem behaupteten sich die Tauben von Anfang an in der Spitze. Seitdem wird von einer Schlaganlage in zwei Reisevereinigungen gereist, dank TIPES gibt es auch keine Probleme mit dem Auseinanderhalten beider Mannschaften.

Bei Siegerehrungen auf Brettern, die die Welt bedeuten.

In ihren jungen Jahren hatten die Mädchen schon Boden unter den Füßen, der den meisten Sportfreunden zeitlebens nicht vergönnt ist. Man denke nur an die Siegerehrungen auf Bezirks- oder Regionalverbandsebene. Oder mehr noch auf Verbandsebene. Ein besonderes Erlebnis sind auch die Preisvergaben der Zeitschrift "De Duif" im belgischen Haacht, 2002 gab es die "Gouden Duif" für die beste deutsche Gesamtleistung, 2004 für die Fond-Meisterschaft. Weitere Höhepunkte waren in 2004 die 1. Regionalverbandsmeisterschaften Mittelstrecke und Jährige, die As-Täubin Allround, Mittel- und Weitstrecke mit der 01654-00-659. 2002 landete Franziska auf Platz 4 der Verbandsmeisterschaft, sie stellte auch die 1. As-Täubin im 8. Bezirk. Genannt werden sollen auch die drei 1. Konkurse aus 2003 und die acht (errungen auf sieben Flügen) aus 2004.

Preisflüge werden zu einer Familienangelegenheit.

Die junge Taube zeigt keine Scheu, der Hund weiß, dass er ihr friedfertig begegnen kann, die Mädchen können mit beiden gut umgehen. Diese ungezwungene Atmosphäre hat etwas von der Situation, in der Monty, der Pferdeflüsterer, auf seine Pferde eingeht.

Im Regionalverband 409 werden die Preisflüge am Samstag durchgeführt, damit der Sonntag für die Familie frei bleibt. Eine sehr gute Regelung, die viel zum westfälischen Familienfrieden beiträgt. Es kommt nicht selten vor, dass der gesamte Stieneker-Clan, Großeltern und Freunde, im Garten sitzt und fieberhaft den Preisflug verfolgt. Lagebedingt erfährt man, wann und wo die ersten Tauben eingetroffen sind, daraus lässt sich ausrechnen, wann die Tauben am Häherweg eintreffen müssen, um noch gewinnen zu können. Oft genug geht die Rechnung auf. In der Gemeinschaft lassen sich gute Ergebnisse und auch weniger gute viel besser ertragen.
Ein Erlebnis der besonderen Art gab es am 7./8. Mai 2005. Wegen des schlechten Wetters musste der Flug auf den Sonntag verschoben werden. An sich kein Thema, aber an diesem Sonntag hatte Lisa ihre Konfirmation und mit ihr ging natürlich auch die Familie in die Kirche. Zu dem Zeitpunkt, als der Konfirmationssegen erteilt wurde, schwebte die Täubin 01654-03-1995 über dem heimischen Schlag ein und holte für die Schlaggemeinschaft Stieneker-Rosenbusch den 1. Konkurs…

von Klaus Kühntopp aus
"Die Brieftaube " - 21-2005

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